Verschlechterung der Rahmenbedingungen
Die Niederlassung in der eigenen Zahnarztpraxis hat offenbar stark an Attraktivität verloren. Das geht aus einer repräsentativen Online-Befragung des Zi in Zusammenarbeit mit der KZBV hervor. Mehr als die Hälfte der Teilnehmerinnen und Teilnehmer (58 Prozent) würden sich demnach heute nicht mehr niederlassen. Ein noch höherer Anteil (72 Prozent) überlegt, vorzeitig aus der Versorgung auszuscheiden. Dabei erachten nahezu 100 Prozent ihre Arbeit als sinnvoll und nützlich. Grund für die hohe Unzufriedenheit innerhalb der Zahnärzteschaft sind vor allem die aktuellen Rahmenbedingungen: Knapp 97 Prozent der befragten Zahnärztinnen und Zahnärzte fühlen sich durch die Vielzahl an bürokratischen Aufgaben überlastet, rund 81 Prozent sehen ihren Praxisablauf infolge einer praxisfernen Digitalisierung beeinträchtigt. Beide Faktoren führen zusammen mit einem sich verschärfenden Fachkräftemangel dazu, dass fast alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Zeit für ihre Kernaufgabe – die Patientenversorgung – eingeschränkt sehen. Gekürzte Mittel verschärfen die Lage Die Folgen des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes (GKV-FinStG) und der damit verbundenen Budgetierung verschärfen die Situation in den Praxen weiter. Drei Viertel der Teilnehmerinnen und Teilnehmer gaben an, von den Honorarkürzungen bereits betroffen zu sein. Zwangsläufig müssen die Praxen ihre Abläufe daher anpassen, was bei 87 Prozent bereits sogar zu Einschränkungen in der Patientenversorgung führt. Längere Wartezeiten auf einen Termin sind die Folge. Mit einer Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Lage noch in diesem Jahr rechnen fast 90 Prozent. „Diese Befragung zeigt eindrucksvoll, dass unsere Forderungen nach weniger Bürokratie, nach einer tragfähigen Finanzierung, nach einer praxistauglichen Digitalisierung und nach Abschaffung der Mittelbegrenzung keine haltlosen Lobbyisten-Klagen sind, wie es Bundesgesundheitsminister Lauterbach wiederholt behauptet“, erklärt Martin Hendges, Vorsitzender des Vorstandes der KZBV. „Diese Ergebnisse spiegeln die ganz realen Probleme und Sorgen der Praxen wider. Wir haben Minister Lauterbach bereits frühzeitig Lösungsvorschläge unterbreitet. Seine Vorstellung der Problemlösung, nämlich ein Wechsel hin zu einem staatlich gelenkten Gesundheitssystem, wird keine Abhilfe schaffen. Im Gegenteil!“
Hoher Stresslevel
Fast drei Viertel der Teilnehmerinnen und Teilnehmer fühlen sich bereits jetzt „ausgebrannt“, zumal sie immer mehr Patientinnen und Patienten von Praxen übernehmen müssen, die aufgeben bzw. ihre Arbeitszeit reduzieren. Zudem sehen 97 Prozent keine angemessene Wertschätzung ihrer Arbeit durch die Politik. „Mein Blick geht sorgenvoll in die Zukunft“, so Hendges weiter. „Wenn sich so viele Kolleginnen und Kollegen am Limit sehen und mit dem Gedanken spielen, vorzeitig aus der Patientenversorgung auszusteigen, ist das ein eindeutiger Beweis für schlechte Rahmenbedingungen und damit auch nicht der dringend notwendige Anreiz für den zahnärztlichen Nachwuchs sich niederzulassen.“ 90 Prozent befürchten daher auch laut Stimmungsbarometer, keine geeignete Nachfolge für die Praxis zu finden. Verlässliche Rahmenbedingungen schaffen „Gerade aber die selbstständig und freiberuflich tätigen Zahnärztinnen und Zahnärzte bilden das Fundament einer flächendeckenden, wohnortnahen und qualitativ hochwertigen zahnärztlichen Versorgung. Mit einer durch staatszentrierte Großstrukturen organisierten Versorgung wird es nicht funktionieren, das bewährte Versorgungsniveau aufrechtzuerhalten. Die Unabhängigkeit von Weisungen und Interessen Dritter sowie die fachliche Entscheidungsfreiheit im Rahmen der Berufsausübung machen den Kern der Freiberuflichkeit aus“, betont Hendges und fordert daher von der Politik gute und verlässliche Rahmenbedingungen für die inhabergeführten Praxen. Daran führe kein Weg vorbei. In einigen Regionen zeige sich bereits heute exemplarisch, wie schlecht es um die wohnortnahe zahnärztliche Versorgung bestellt ist. Aber selbst dort, wo auf dem Papier aktuell noch eine gute Versorgungslage vorherrsche, dürfte es künftig eng werden – wenn die Politik nicht umgehend gegensteuert.
Hintergrund zur Online-Befragung
Eine Einladung zur Teilnahme an der Online-Befragung erhielten alle zugelassenen Zahnärztinnen und Zahnärzte sowie zugelassenen Medizinischen Versorgungszentren auf Basis der bundesweiten Daten, von denen sich 12,2 Prozent beteiligt haben. Die Befragung lief vom 18.04.2024 bis zum 20.05.2024; das Durchschnittsalter der Teilnehmerinnen und Teilnehmer lag bei 53,8 Jahren. 82 Prozent von ihnen sind in einer Einzelpraxis tätig, 16 Prozent in einer Berufsausübungsgemeinschaft und die übrigen in einem Medizinischen Versorgungszentrum.
Befragungsergebnisse in Nordrhein
Die düstere Stimmungslage macht auch vor Nordrhein nicht Halt. Hier ein Überblick über die Befragungsergebnisse bei den Vertragszahnärztinnen und -zahnärzten in Nordrhein:
Überbordende Bürokratisierung und praxisuntaugliche Digitalisierung
97,1 Prozent der Befragten halten ihre Arbeit für nützlich und sinnvoll, jedoch sind 64,7 Prozent der Ansicht, dass ihnen für die Behandlung ihrer Patientinnen und Patienten nicht ausreichend Zeit zur Verfügung steht. 94,5 Prozent geben dabei an, dass die Zeit für die Patientenversorgung durch die Bürokratielast und praxisuntaugliche Digitalisierung eingeschränkt wird. Alleine die derzeitigen Digitalisierungsmaßnahmen beeinträchtigen in den Augen von 76,1 Prozent den Praxisablauf. Daher ist es nicht verwunderlich, dass 98,4 Prozent eine Überlastung aufgrund der Vielzahl an administrativen bzw. bürokratischen Aufgaben beklagen und sich 73 Prozent durch ihre Arbeit gar ausgebrannt fühlen.
Unzureichende Behandlungsvergütung und Wertschätzung
Was die Behandlungsvergütung angeht, verneinen 86,3 Prozent, dass ihre Leistungen in der Patientenversorgung innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung durch den BEMA angemessen honoriert werden, für ganze 93,8 Prozent der Zahnärzte und Zahnärztinnen werden auch die privatzahnärztlichen Leistungen in der Patientenversorgung durch die GOZ nicht angemessen honoriert. Dem entspricht die Wahrnehmung vieler Kollegen in Nordrhein (97,2 Prozent), dass ihnen vonseiten der Politik keine angemessene Wertschätzung für ihre Arbeit in der Patientenversorgung entgegengebracht wird.
Fachkräftemangel beeinträchtig Patientenversorgung
Für 95,9 Prozent aller Praxisinhaber gestaltet es sich zunehmend schwierig, geeignetes Praxispersonal auf dem Arbeitsmarkt zu finden, 86,4 Prozent werden durch den Personalmangel in der Patientenversorgung eingeschränkt.
Gedanken an vorzeitige Praxisaufgabe nimmt zu
Aufgrund der Rahmenbedingungen überlegen bereits 71,7 Prozent der Vertragszahnärzte und -ärztinnen, vorzeitig aus der Patientenversorgung auszuscheiden, mit Blick auf den Ruhestand machen sich 89,3 Prozent außerdem Sorgen, eine geeignete Nachfolge zu finden. (sk)