Effekt negativer Erwartung doppelt so hoch
Die Studie der medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen (UDE) wurde im Journal „eLife“ veröffentlicht. Im Rahmen der Forschungen unter der Leitung von Prof. Dr. Ulrike Bingel wurden 104 freiwillige Probanden mit guter Gesundheit getestet. Diese wurden einem künstlich erzeugten Hitzeschmerz ausgesetzt, wobei ihre Erwartungen zuvor gezielt beeinflusst wurden. Während die Schmerzreize bei allen Studienteilnehmern und Studienteilnehmerinnen regelmäßig gleich stark ausfielen, wurden bei ihnen jeweils ganz unterschiedliche Erwartungen ausgelöst. Auf diese Weise waren die auf einer Skala von 0 bis 100 bewerteten Schmerzreize mal mit positiven, mal mit negativen oder neutralen Erwartungen verknüpft.
Im Fokus des Forschungsinteresses stand, wie stark sich die den Probanden „eingepflanzten“ Erwartungen auf spätere Tests auswirkten, die innerhalb der nächsten 24 Stunden oder nach der deutlich längeren Zeitspanne von einer Woche stattfanden. Dabei stellte sich heraus, dass negative Erwartungen eine stärkere und länger anhaltendere Wirkung auf das Schmerzempfinden haben als positive Erwartungen. So gaben die Studienteilnehmer den Schmerzreizen, denen sie ausgesetzt waren, bei gleichzeitigem Bestehen einer negativen Erwartungshaltung eine um 11 Punkt höhere Bewertung, als dies im Kontrolltest bei einer neutralen Erwartungshaltung der Fall war. Eine positive Erwartungshaltung hatte bei den getesteten Personen eine nicht annähernd so große Wirkung. Positive Erwartungen verringerten die Schmerzbewertung vielmehr nur um etwa 4 Punkte. Das bedeutet, dass die Auswirkung einer negativen Erwartungshaltung auf das Empfinden von körperlichem Schmerz bei den Tests um mehr als das Doppelte so hoch war als die einer positiven Erwartungshaltung. Ein ähnliches Ergebnis war bei der eine Woche später stattfindenden Testreihe zu verzeichnen. Der Effekt einer negativen Erwartungshaltung, die eine Woche zuvor bei den Teilnehmenden geweckt worden war, verringerte sich zwar leicht auf ein um 9 Punkte erhöhtes Schmerzempfinden, übertraf damit den Effekt einer positiven Erwartungshaltung mit einer um 4,6 Punkten verringerten Schmerzempfindung jedoch immer noch um knapp das Doppelte.
Tatsächlich scheint das menschliche Bewusstsein eher dazu zu tendieren, stets vom „worst case“ auszugehen, was sich auch im Schmerzempfinden niederschlägt. Für die Patientenbehandlung lässt sich daraus ein wichtiger Schluss ziehen. Dieser lautet, dass ärztliche oder zahnärztliche Behandler und ihre Praxisteams sowie generell Angehörige von Gesundheitsberufen sich nicht nur darum bemühen sollten, bei ihren Patienten positive Erwartungen zu wecken, sondern mindestens ebenso sehr darauf bedacht sein sollten, das Entstehen negativer Erwartungen zu vermeiden, die möglicherweise ganz unbeabsichtigt geweckt werden könnten. Das gilt zum Beispiel auch für die Patientenaufklärung. Wie Patienten und Patientinnen über eine Behandlung informiert werden, hat möglicherweise großen Einfluss auf ihr Empfinden während und nach der Behandlung, das je nachdem positiv oder negativ ausfallen kann.
Aktuelle Schmerzstudie
Einfluss negativer und positiver Erwartung auf Schmerzempfinden
Hier gelangen Sie zur Pressemeldung über die Durchführung und die Ergebnisse der aktuellen Schmerzstudie der medizinischen Fakultät an der Universität Duisburg-Essen.