Immer ein Ausnahmefall
Narkose-Richtlinien im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung
Uns erreichen immer wieder Anfragen hinsichtlich der Anwendung der Narkose-Richtlinien im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung. Wir möchten daher nachfolgend noch einmal das Wesentliche aus Sicht der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Nordrhein darstellen.
Abrechnung nach EBM
Die Erbringung von Narkosen gemäß Abschnitt 5.3 des EBM im Zusammenhang mit zahnärztlichen und/oder mund-, kiefer-, gesichtschirurgischen Eingriffen ist nach Ziffer 8 der Präambel zum Kapitel 5 des EBM berechnungsfähig bei
- Kindern bis zum vollendeten 12. Lebensjahr, sofern wegen mangelnder Kooperationsfähigkeit und/oder durch den Eingriff bedingt eine andere Art der Schmerzausschaltung nicht möglich ist.
- Patienten mit mangelnder Kooperationsfähigkeit bei geistiger Behinderung und/oder schwerer Dyskinesie.
- Eingriffen entsprechend dem Abschnitt 31.2.8 des EBM, sofern eine Behandlung in Lokalanästhesie nicht möglich ist. Bei den Eingriffen handelt es sich um zahnärztliche bzw. mund-, kiefer-, gesichtschirurgische Eingriffe, die inhaltlich den EBM-Leistungen des Abschnitts 31.2.8 entsprechen, die jedoch über die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen abgerechnet werden.
Ferner können nach Ziffer 10 der Präambel zum Kapitel 5 des EBM Narkosen gemäß Abschnitt 5.3 im Zusammenhang mit zahnärztlichen und/oder mund-, kiefer-, gesichtschirurgischen Eingriffen als vertragsärztliche Leistung abgerechnet werden, wenn Kontraindikationen gegen die Durchführung des Eingriffs in Lokalanästhesie oder Analgosedierung vorliegen.
Kontraindikationen nach Ziffer 10
Hinsichtlich der Kontraindikationen nach Ziffer 10 der Präambel zum Kapitel 5 kommt es auf die Indikation im einzelnen Behandlungsfall an. Insbesondere gibt es keinen abschließenden Katalog hinsichtlich der Kontraindikationen. So kann im Einzelfall eine Kontraindikation unter anderem vorliegen,
- bei (fach)ärztlich attestierter Phobie,
- im Behandlungsversuch des behandelnden Zahnarztes festgestellter und dokumentierter Phobie,
- in Behandlungsfällen, bei denen die Lokalanästhesie nicht wirkt, z.B. aufgrund eines starken Entzündungsprozesses bzw. der Unwirksamkeit von Lokalanästhetika,
- bei Grunderkrankungen, die die Durchführung des zahnärztlichen Eingriffs unter Narkose indizieren,
- im Einzelfall jedoch auch bereits bei einem sehr starken Würgereiz, wenn die Behandlung aufgrund des Würgereizes unter Lokalanästhesie oder Analgosedierung nicht durchführbar ist.
Für die Frage, ob eine Kontraindikation nach Ziffer 10 der Präambel zum Kapitel 5 des EBM vorliegt, ist letztlich ausschlaggebend, ob im konkreten Behandlungsfall eine andere Art der Schmerzausschaltung möglich ist bzw. ob der Eingriff im konkreten Behandlungsfall unter Lokalanästhesie oder Analgosedierung durchführbar ist. Wenn diese Frage mit „Nein“ zu beantworten ist, liegt grundsätzlich eine Indikation für die Durchführung der Behandlung unter Narkose vor.
Für die Frage, ob ein Eingriff entsprechend dem Abschnitt 31.2.8 des EBM (bzw. ein Eingriff größeren Umfangs) vorliegt, kommt es ausschlaggebend auf die Komplexität des konkreten Eingriffs und nicht auf den Umfang, z.B. Zahl der zu behandelnden Zähne, an. Auch insofern ist der konkrete Behandlungsfall entscheidend.
Infolgedessen stellt die Entfernung aller vier Weisheitszähne nach allgemeiner Auffassung grundsätzlich keine ausreichende Indikation für eine Vollnarkose dar. Die Behandlung kann in der Regel schrittweise in mehreren Sitzungen erfolgen, in denen eine örtliche Betäubung jeweils ausreicht. Wünscht der Patient stattdessen, dass alle vier Zähne in einer Sitzung entfernt werden, kann eine Vollnarkose sinnvoll oder sogar erforderlich sein. Solche „Wunschnarkosen“ stellen jedoch keine vertragsärztliche Leistung dar. Dies bedeutet im Umkehrschluss jedoch nicht, dass die Entfernung von Weisheitszähnen grundsätzlich nicht unter Vollnarkose durchgeführt werden kann. Auch die Entfernung eines Weisheitszahns könnte aufgrund der Komplexität des Eingriffs im konkreten Behandlungsfall ein Eingriff entsprechend dem Abschnitt 31.2.8 des EBM und somit die Vollnarkose indiziert sein. Auch könnte eine Kontraindikation nach Ziffer 10 der Präambel zum Kapitel 5 des EBM vorliegen, sodass die Entfernung der Weisheitszähne unter Vollnarkose indiziert ist.
Einschätzung des Behandlers
Wie bereits erwähnt, kommt es bei der Entscheidung, ob die Indikation für die Durchführung eines Eingriffs unter Vollnarkose vorliegt, entscheidend auf den konkreten Behandlungsfall und die Einschätzung des Behandlers an.
Abschließend möchten wir noch darauf hinweisen, dass es keiner vorherigen Bescheinigung bzw. Kostenübernahmeerklärung durch die Krankenkasse bedarf, die Anforderung vielmehr unzulässig ist, da dies weder vertragsärztlich noch vertragszahnärztlich vorgesehen ist. Wir möchten daher eindringlich empfehlen, davon abzusehen, auch wenn dies vom Anästhesisten eingefordert wird. Letztlich fällt es auf den Behandler zurück, wenn dieser seinen Patienten ein entsprechendes Formular aushändigt, auch wenn dies vom Anästhesisten eingefordert wurde.
Die Behandlung eines Patienten unter Vollnarkose stellt immer einen Ausnahmefall der vertragszahnärztlichen Behandlung dar und ist vor diesem Hintergrund umfassend, einschließlich der Beschreibung der vorliegenden Indikation, in der Karteikarte zu dokumentieren.
Abteilung Prüfwesen der KZV Nordrhein
Tipp
Die KZBV stellt auf Ihrer Webseite Patienteninformationen
zum Thema Vollnarkosen zur Verfügung.
Ansprechpartner
Abteilung Prüfwesen
Tel. 0211 9684 - 0